Transgener Raps auf einem Feld in Istrup. Das hört sich spannend an; modern und absolut fortschrittlich. Gentechnologie mitten in Blomberg, das ist doch Fortschritt pur, oder?
In der Tat ist man in der Gentechnologie dabei, das ABC des Lebens, das in
den Genen verborgen alle Lebensformen bestimmt, zu entschlüsseln. Ja man
kann bereits den Bauplan eines Lebewesens verändern, indem man ein kleines
Stückchen fremder Erbinformation in die vorhandenen Gene einfügt.
Das gelingt bei Bakterien und Enzymen, bei Tieren und Pflanzen.
So "schafft" man zum Beispiel Pflanzen, die von sich aus nun für
bestimmte Insekten giftig sind, weil sie zusätzlich die Information für
die Produktion dieses Giftes in sich tragen. Andere Pflanzen halten nun ein
bestimmtes Unkrautvernichtungsmittel aus, so dass alle anderen Pflanzen und
Kräuter von diesem Mittel abgetötet werden, nur die angebaute Sorte
nicht. Das alles ist möglich und wird in Laborversuchen bereits zum Teil
mit Erfolg praktiziert.
"Das spart Unkrautvernichtungsmittel", sagen die einen, "und entlastet so die Umwelt." "Das macht uns Bauern nur noch abhängiger von den großen agrochemischen Firmen," fürchten allerdings nicht wenige Landwirte. Kritische Biologen fragen: "Ist die beabsichtigte Veränderung an dieser Pflanze wirklich das einzige, was sich ändert? Oder gibt es auch Veränderungen, die unbeabsichtigt und unerkannt entstehen, und die denen, die dieses Pflanze verzehren, Probleme machen?" "Und was passiert," so fragen sie, "wenn sich die «neuen» Pflanzen mit alten Pflanzen auf dem Nachbarfeld oder am Feldrand ganz natürlich kreuzen? Kann es da nicht plötzlich Pflanzen geben, die keiner wollte und deren Ausbreitung durch nichts mehr zu stoppen ist?" – Man kennt ähnliches ja schon bei bestimmten Antibiotika, die nicht mehr wirken, weil viele Bakterien resistent geworden sind.
Als Laie kann ich solche Fragen nicht beantworten; aber mein Verstand sagt mir, dass wir Menschen mit der Gentechnologie in das seit Jahrtausenden gewachsene Steuerungssystem der Natur viel intensiver eingreifen als bei "normaler" Züchtung. Zugleich können wir die Folgen dieser Eingriffe nicht übersehen, weil in der Natur vieles miteinander reagiert. Die Natur ist ein offenes System. Wenn dort etwas Unvorhergesehenes geschieht, dann kann es sich im Schneeballprinzip ausbreiten. Eine Kontrolle oder ein "Rückruf" von schädlichen Lebewesen oder Pflanzen ist dort nicht möglich.
Die Risiken, die genetisch veränderte Lebewesen für unsere Umwelt mit sich bringen, müssen sehr genau geprüft werden. Aber ich bezweifle, ob diese Prüfungen wirklich die Folgen abschätzen können. Zudem glaube ich, dass wir als Menschen nicht alles nur zu unserem eigenen Nutzen und auf wirtschaftlichen Gewinn ausrichten dürfen. Wir sind verantwortliche Mitgeschöpfe in Gottes großer Schöpfung. Wir sind als Menschen ein Teil dieser einen Erde, die wir sorgsam bebauen und erhalten sollen: für uns, für die Generationen nach uns. Darum haben wir Verantwortung für alles Leben auf Erden. So sieht uns Menschen jedenfalls die Bibel. Deshalb bin ich überzeugt: Genetisch veränderte Pflanzen können wir nicht verantworten, weil wir mit ihrer Freisetzung im Grunde nicht wissen, was wir da tun.
Künftig wird mich jedes gelb leuchtende Rapsfeld daran erinnern.
Autor: Hermann Donay, "Aktionsbündnis
für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel", Blomberg. Dieser
Betrag erschien im Jahre 2000 unter der Rubrik "Moment mal!" im "Blomberger
Anzeiger".
Gene, Träger der Erbinformation, so zu kombinieren, wie sie in der Natur nicht vorkommen würden und damit neue Eigenschaften hervorzurufen, das ist das Anliegen der Gentechnologie. Zum Beispiel werden menschliche Gene in Bakterien eingebaut. Derartig manipulierte Gene einer Pflanze oder Bakteriengene können durch Pollenflug in das Genom einer anderen Pflanze übertragen werden. Es entsteht dann ein Gen-Mix, den die Natur so nicht hervorbringen könnte und würde.
Ein Blick in die Rezepturen der Lebensmittelindustrie zeigt, in welchem Umfang bereits mit genveränderten Zusatzstoffen gearbeitet wird. Das ist nur möglich, solange der Verbraucher davon nichts weiß, andernfalls würde er auf andere Produkte ausweichen. 79% der Verbraucher lehnen Gentech-Lebensmittel ab.
So findet Gen-Soja nicht nur in Sojaprodukten, sondern auch in diesen Lebensmitteln Anwendung:
Aber auch gentechnisch veränderter Mais, Tomaten, Raps und viele Lebensmittelzusatzstoffe werden in unterschiedlichen Formen eingesetzt. Für den Verbraucher sind sie häufig aufgrund der fehlenden Auszeichnung nicht zu erkennen.
Die Auswirkungen gentechnisch hergestellter Lebensmittel auf die menschliche Gesundheit sind derzeit nicht abzuschätzen. Insbesondere Langzeitwirkungen auf Mensch und Umwelt können nach dem Stand der Forschung überhaupt nicht ausgeschlossen werden. Als mögliche Beispiele sind Resistenzen gegen Antibiotika, Zunahme von Allergien, Übertragung von Genfragmenten auf die Darmflora des Menschen, Einkreuzen veränderter Pflanzengene in verwandte Arten usw. zu nennen.
Fragen |
Antworten |
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Worum geht's eigentlich? |
Im Blomberger Ortsteil Istrup sollte im August 2000 ein Freisetzungsversuch mit genmanipuliertem Winterraps gestartet werden. Dazu ist es aber nicht gekommen (s. Chronik). |
Wer ist der Auslöser für das Vorhaben? |
Antragsteller (und die durchführende Instanz) für den Freisetzungsversuch ist die Fa. Aventis. Lobbyist und Vertreter der Firmeninteressen von Aventis ist Wilhelm Glameyer. |
Wer oder was steht hinter der Fa. Aventis? |
Es handelt sich dabei um einen multinationalen Konzern, der aus einer Fusion der Firmen Hoechst und Rhône-Poulenc hervorgegangen ist. |
Wer stellt die benötigte Fläche für den Versuch zur Verfügung? |
Es handelt sich um den Landwirt Lanwermann aus Istrup. |
Wo genau befindet sich die geplante Versuchsanpflanzung? |
Die Freisetzung soll in der Gemarkung Istrup, Flur 1, erfolgen. Eine genauere Lokalisierung ist zurzeit noch nicht möglich. |
Datum |
Inhalt |
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26.06.01 |
Das Blomberger "Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel" bleibt am Ball. Es hatte wiederum ins Dorfgemeinschaftshaus Wellentrup eingeladen – diesmal zu einer Podiumsdiskussion mit prominenten Teilnehmern aus gegensätzlichen Lagern (s. Bericht der LZ): Pro Gentechnik waren:
Kontra Gentechnik sprachen:
Die Moderation hatte Christine Etrich, Horn-Bad Meinberg, Journalistin, WDR Landesstudio Bielefeld. |
Das Blomberger "Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel" hatte unter dem Thema "Gentechnik in der Landwirtschaft" zu einer Informationsveranstaltung eingeladen (s. Bericht der LZ). Das Dorfgemeinschaftshaus Wellentrup platzte aus allen Nähten, so viele Interessenten hatten sich dort eingefunden, um der Referentin Frau Dr. Gudrun Kordecki, Mitarbeiterin des Umweltreferates am Institut für Kirche und Gesellschaft der Ev. Kirche von Westfalen, zuzuhören. Zahlreich erschienen waren auch die Landwirte aus den Blomberger Ortsteilen. Außer den Mitgliedern des Aktionsbündnisses war auch der Vertreter der Fa. Aventis, Wilhelm Glameyer anwesend. Insgesamt waren mehr als 100 Zuhörer gekommen; es mussten eigens noch Stühle vom Dachboden geholt werden. In der engagiert und kontrovers geführten Diskussion wurde der starke Informationsbedarf deutlich, der zum Thema Gentechnik besteht. Auch das angebotene Informationsmaterial ging weg wie die sprichwörtlichen "warmen Semmeln". Dutzende von Anwesenden trugen sich auf einer Interessenten- und Unterstützungsliste ein, die durch die Reihen ging. Pikant am Rande: Auch der Aventis-Vertreter trug sich dort ein! Die Firma Aventis hält weiterhin an ihrem Vorhaben fest, in Zusammenarbeit mit einem Blomberger Landwirt einen Freisetzungsversuch von transgenen Winterraps-Hybriden durchzuführen. Es ist damit zu rechnen, dass das im August 2001 geschehen wird. Das Aktionsbündnis hat dem gegenüber die Hoffnung, dass der Landwirt bzw. die Fa. Aventis von dem Versuch absehen, wenn deutlich wird, dass große Teile der Blomberger Bevölkerung wegen der nicht abzuschätzenden Risiken die Freisetzung ablehnen. Die Aktivitäten des Bündnisses werden daher selbstverständlich fortgesetzt. Das nächste Treffen des Aktionsbündnisses wird am Montag, dem 19.02.01, um 19.30 Uhr im ev.-ref. Gemeindehaus in Blomberg, Im Seligen Winkel stattfinden. Alle sind herzlich eingeladen, dort mitzumachen. |
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Am 14.11.00 erschien in der Lippischen Rundschau ein umfangreicher Artikel zum Gentechnik-Projekt in Istrup, in dem auch einer der Sprecher der Bürgerinitiative, Hans-Ulrich Arnecke, zu Wort kam. Nach Arneckes Auffassung besonders interessant darin die Aussagen des Aventis-Projektleiters Johannes Wilhelm Glameyer. Zitat: "Parallel dazu legte auch Aventis das Projekt in Istrup erst einmal 'auf Eis'." Der Grund dafür sei nicht das Engagement der Bürgerinitiative, die Glameyer kritisierte: "Die Aktionen der Beteiligten grenzen schon an Telefonterror." Davon lasse sich die Firma aber nicht abschrecken. "Derzeit läuft ein Gerichtsverfahren: Das nordrhein-westfälische Umweltministerium will einige Genehmigungen, die wir bereits haben, einschränken. Das muss noch geklärt werden", so Glameyer. Die Firma Aventis machte deutlich, dass sie noch immer plant, das Projekt durchzuführen, sobald das Gerichtsverfahren entschieden sei. Zumindest seien das die derzeitigen Pläne, so Glameyer: "Vielleicht werden die Fragen, die wir mit dem Blomberger Versuch klären wollen, bis zum Ende der Verhandlungen an einem unserer anderen Versuchsstandorte beantwortet. Dann würde sich das Projekt in Lippe erübrigen." Doch noch sieht es nicht danach aus. Glameyer hat auch "keine Anhaltspunkte" dafür, dass Aventis mit dem Landwirt nicht mehr einer Meinung ist. Er ist überzeugt, dass dem Unternehmen das Feld zur Verfügung steht, "solange wir es brauchen." |
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24.10.00 |
Das Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel erläutert in einer Pressemitteilung, welche Folgen die Aussaat von genmanipulierten Pflanzen für die benachbarten Felder anderer Landwirte haben kann. Am 15. Januar des kommenden Jahres wird zu diesem Thema in Wellentrup eine Informationsveranstaltung für alle Interessierten, insbesondere für Landwirte stattfinden (LZ vom 11.11.00). |
29.07.00 |
Das Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel verteilt bei einer Sonderaktion in Istrup frische Brötchen aus gentechnikfreiem Getreide und die dazu gehörigen Informationen (LZ vom 31.07.00). |
19.07.00 |
Der betroffene Landwirt Lanwermann erklärt gegenüber dem neu gegründeten Aktionsbündnis, dass er auf die Aussaat von genmanipuliertem Winterraps definitiv verzichtet. Diese Aussage wird von Wilhelm Glameyer, dem Sprecher der Fa. Aventis, bestätigt. Als Grund wird von der Firma eine Meinungsverschiedenheit mit dem zuständigen Landesumweltministerium genannt, die noch juristisch geklärt werden müsse. |
Ein Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel hat sich während einer Versammlung in Blomberg gegründet. Gründungsmitglieder sind Naturkostläden und Bio-Landwirte, Kirchen- und Parteienvertreter sowie interessierte Privatpersonen. |
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04.07.00 |
Die Lippische Landeszeitung hat den Landwirt Lanwermann zum geplanten Freisetzungsversuch interviewt und berichtet zeitgleich über unseren offenen Brief vom 29.06.00. Möglicherweise wird er auf den Versuch verzichten und sich nicht komplett gegen die Istruper Bevölkerungsmehrheit stellen. |
29.06.00 |
In einem offenen Brief an den Istruper Landwirt Lanwermann wird dieser aufgefordert, auf die geplante Freisetzung von genmanipuliertem Winterraps zu verzichten. |
Lesen Sie hier den Wortlaut einer Email der Fa. Aventis an die Stadt Blomberg zur geplanten Freisetzung von transgenem Winterraps auf einem Istruper Feld. Die Email ging von der Stadt zur Kenntnis an die GRÜNE Fraktion; die dort enthaltenen Fakten wurden in der letzten Sitzung des Hauptausschusses am 15.06.00 bekannt. Sie sind damit öffentlich. Zum Verlauf der Sitzung lesen Sie bitte auch unseren Kommentar ("Haarscharf an der Blamage vorbeigeschrammt"). |
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In der Sitzung des Blomberger Hauptausschusses am 15.06.00 erwies es sich als nützlich, dass auf Initiative der GRÜNEN auch eine Vertreterin des Naturschutzbundes zu den Risiken und Nebenwirkungen der Freisetzung von genmanipulierten Organismen Stellung nehmen konnte. So wurde dem ursprünglich als einzigen Experten eingeladenen Vertreter der Gentechnik-Firma Aventis Paroli geboten. Nach langer Diskussion wurde letztlich der Antrag der GRÜNEN, den Einsatz der Gentechnik auf städt. Flächen zu verbieten, mit Mehrheit aller Parteien – allerdings gegen die Stimmen der CDU – angenommen. Sehen Sie dazu den LZ-Bericht vom 17.06.00. |
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Inzwischen haben die Blomberger GRÜNEN die Gentechnikreferentin Gisela Wicke vom Naturschutzbund (NABU) als Expertin benannt, die in der Sitzung des Hauptausschusses am 15.06.00 die Gegenposition zu dem Vertreter der Fa. Aventis CSD vertreten wird. Ab 20.30 Uhr steht Fr. Wicke im Bürgerhaus allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern für Fragen zum Thema zur Verfügung (s. Bericht der LZ v. 14.06.00). |
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In der Sitzung des Hauptausschusses am Do, 15.06.00, wird u. a. auch das Thema Gentechnik auf der Tagesordnung stehen. Es geht dort um den geplanten Freisetzungsversuch in Istrup, aber auch um den Antrag der GRÜNEN, der den Verzicht auf den Anbau von genmanipulierten Pflanzen auf Blomberger Stadtgebiet fordert. Zum Thema hatte die Stadtverwaltung einen Vertreter des Aventis-Konzerns eingeladen, der für die Freisetzung verantwortlich zeichnet. Auf Forderung der GRÜNEN kommt jetzt auch ein Vertreter der Gegenseite zu Wort (s. Bericht der LZ vom 10.06.00). |
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Eine in Blomberg geplante Freisetzung von genmanipuliertem Winterraps wurde am 17.05.00 im Umweltausschuss bekannt. Die Freisetzung soll in der Gemarkung Istrup, Flur 1, erfolgen. Der betreffende Landwirt (Name ist uns bekannt) stellt dem multinationalen Konzern Aventis CSD (= Crop Science Division) seine Fläche für die Freisetzung zur Verfügung. Die Blomberger GRÜNEN hatten bereits vor einigen Tagen auf die Information reagiert und am 24.05.00 einen entsprechenden Antrag gestellt. Lesen Sie zum Thema den Bericht der LZ. |
"Bei der Zerstörung der bäuerlichen Tradition gibt es einen Gewinner. Denjenigen, der die Patente auf das Saatgut besitzt!" So die bittere Bilanz von Troy Roush, einem der beiden Bauern aus den USA, die am Samstag, 03.12.05 im Gasthof Riemeier in Bad Salzuflen-Grastrup von ihren Erfahrungen als Genbauern berichteten.
Troy Roush bewirtschaftet mit seinen zwei Brüdern und seinem Vater eine 2.230 Hektar große Farm im Bundesstat Indiana. Als 1996 gentechnisch veränderte Sojabohnensorten auf den Markt kamen, entschieden er und seine Familie sich zunächst wegen der höheren Saatgutkosten dagegen. Stattdessen verwendeten sie weiter ihr konventionelles Saatgut aus eigener Vermehrung.
Monsanto, der weltweit größte Hersteller von Gen-Saatgut, versprach damals den Bauern, dass sie nur so lange erhöhte Saatgutkosten zu tragen hätten, bis die Kosten für Forschung und Entwicklung der Technologie abbezahlt wären.
Die Nachbarn von Troy Roush machten ihre ersten Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Sojabohnen. Die Felder waren unkrautfrei, und statt vier- oder fünfmal Herbizide zu spritzen, fuhren sie nur zweimal mit der Spritze über die Felder.
Im nächsten Jahr begannen auch Troy Roush und seine Familie mit ein paar Hektar Gen-Soja. Die Unkrautfreiheit war beeindruckend, und der Anbau wurde sehr einfach, allerdings waren die Erträge geringer und mit den konventionellen Sorten ließ sich mehr Geld verdienen.
Inzwischen begann Monsanto mit Radio-Spots und Anzeigen in Landwirtschaftszeitungen auf den illegalen Nachbau der patentierten Sorten hinzuweisen und schaltete eine kostenlose Nummer, unter der Bauern anrufen konnten, die ihre Nachbarn des unerlaubten Nachbaus verdächtigten.
Im Mai 2000 erhob Monsanto Klage gegen Troy Roush, seine beiden Brüder und seinen Vater wegen Patentverletzung und Vertragsbruch. Benachbarte Landwirte hätten Monsanto alarmiert, weil die Familie Roush Saatgut nachbaute – allerdings das eigene konventionelle. Die Klage erwies sich als nichtig, da die Aussagen der Zeugen gefälscht worden waren.
Als nächstes behauptete Monsanto, Proben von Sojafeldern der Roushs hätten erwiesen, dass die konventionellen Soja-Sorten geschützte Monsanto-Gen-Sorten seien. Niemals hatten Leute von Monsanto die Erlaubnis erhalten, auf das Land zu gehen und Proben zu nehmen. Von 15 Proben seien 14 gentechnisch verändert, hieß es. Nach näheren Untersuchungen der Familie Roush stellte sich heraus, dass die Behauptungen Monsantos haltlos waren: auf einem Feld, auf dem angeblich Gen-Soja der Firma Monsanto gestanden haben sollte, war Mais für die Popcorn-Produktion angebaut worden.
Die konventionelle Ernte aus dem Jahr 1999 war von Monsanto als gentechnisch verändert getestet worden. Ein Teil wurde im nächsten Jahr als Saatgut verwendet, dessen Ernte allerdings wurde als gentechnikfrei getestet. Troy Roush: „Entweder war die Ernte von 1999 mit Monsanto-Saatgut verseucht, und auf einmal sind die Gene aus dem Saatgut verschwunden, oder aber Monsanto hat gefälschte Beweise gegen uns verwendet.“
Gegen die unwahren Vorwürfe der Patentverletzung und des Vertragsbruchs haben sich Troy Roush und seine Angehörigen jahrelang zur Wehr zu setzen versucht. Sie haben über 340.000 Euro ausgegeben für Anwälte und Expertengutachten, die ihnen bescheinigten, ausschließlich konventionelles Soja-Saatgut nachgebaut zu haben. Sie waren am Rand ihrer Kräfte.
Nach zwei Jahren hat die Bauernfamilie aufgegeben. Um nicht noch mehr aufs Spiel zu setzen: die Gesundheit, die Existenz. Die Roushes haben sich auf den außergerichtlichen Vergleich eingelassen, auf den Monsanto seit Längerem drängte. "Sie haben uns nicht besiegt. Oder vielleicht doch?", fragt Troy Roush in Münsingen: "Es ist ihnen gelungen, uns das Recht zu nehmen, unser eigenes Saatgut nachzubauen."
Das Beispiel der Familie Roush illustriert eine Entwicklung, die in den USA 1996 mit der Einführung der ersten gentechnisch veränderten Sorten begonnen hat: die zunehmende Kontrolle weniger Agrar-Konzerne über die Landwirtschaft. "Es gab eine Zeit, in der die Bauern alle ihre Produktionsmittel besaßen: Land, Vieh, Maschinen, Saatgut", erinnert sich David Dechant, Farmer in Colorado und Geschäftsführer der Amerikanischen Maisbauern-Organisation: "Heute müssen die Maschinen geleast werden, das Land gepachtet, bald wohl auch noch das Saatgut gemietet. Ich sehe darin keinen Fortschritt."
Das eigene Saatgut zu verwenden, ist zu gefährlich. Stattdessen muss teures Saatgut gekauft werden, es etablieren sich mehr und mehr resistente Unkräuter, und das Schlimmste: Die ländliche Gemeinschaft zerbricht. Es sind weniger Menschen notwendig, die die Arbeit in der Landwirtschaft verrichten. Der Druck, in der Fläche zu wachsen, steigt – und damit wächst auch der Konkurrenzdruck um die Flächen. So bearbeitete Troy Roush 1996, dem Jahr, in dem das erste Mal gentechnisch veränderte Sorten zugelassen waren, noch 816 Hektar. Im Jahr 2006 werden es 2420 Hektar sein. Troy Roush nennt diese Entwicklung das „Wettrennen nach unten“. Selbst der letzte, der übrig bleibt, ist kein Gewinner.
Es drängt sich folgende Frage auf: Jemand wird von Monsanto verklagt, erkennt die Abhängigkeit, in die er sich begeben hat, sieht, wie die Gemeinschaft der Bauern auseinander bricht, und der Druck, zu wachsen, immer größer wird – und ist damit alles andere als glücklich. Warum baut er weiterhin GVOs an? Die eine Antwort ist die: Erst braucht man Fläche für die GVOs, dann braucht man die GVOs, um die riesige Fläche bewirtschaften zu können. Man läuft Gefahr, von Monsanto verklagt zu werden, egal, welches Saatgut man verwendet. Es gibt kein Zurück mehr.
Die andere Antwort: neue Wege suchen, z.B. die Umstellung auf ökologischen Landbau. Hier gibt es eine winzige Hoffnung, doch noch aus dem Teufelskreis aussteigen zu können. Aber der Weg ist unsicher. Es ist nicht klar, ob sich überhaupt ein Markt finden lässt, und es ist fraglich, ob der vorgeschriebene Reinheitsgrad erreicht werden kann. Falls es Durchmischungen gibt, haftet allein der Biobauer. Troy Roush ist diesen Weg gegangen. Er ist mit seinen 15 Hektar Bio-Sojabohnen der einzige im Umkreis von mehreren zigtausend Kilometern, der Felder ohne GVO-Anbau hat. Durch den massenweisen Pollenflug von den Feldern seiner Nachbarn wird eine Einkreuzung von GVO-Substanzen kaum zu vermeiden sein.
Weitere Erfahrungen von Troy Roush mit dem Gen-Mais in Kürze:
In den USA gibt es keine Kennzeichnungsverordnung für Futter- oder Lebensmittel. Die Konsumenten haben keine Ahnung, was sie essen. Wenn man ihnen sagt, dass ein Großteil ihrer Lebensmittel gentechnisch veränderte Zutaten enthält, sind sie entweder geschockt, oder aber denken, was die Regierung erlaubt, wird schon nicht ungesund sein. (Ist es in Deutschland so viel anders?)
Was können wir nun in Europa tun, um uns vor dieser Katastrophe zu schützen? Troy Roush: „Stop seeding patents!“ ("Verhindert Patente aufs Saatgut!"). Denn wer die Patente besitzt, hat die Macht.