LZ vom Samstag, 17.06.00:
Blomberg (an). Die Unwissenheit ist groß. Die Ratlosigkeit auch. Am Ende gingen die Mitglieder des Hauptausschusses auf Nummer sicher: Sie folgten dem Antrag der Grünen, dass die Stadt Blomberg künftig Neupächtern verbieten solle, genmanipuliertes Saatgut auf städtische Flächen auszubringen. Jedenfalls so lange, bis sich die Genmanipulation als unbedenklich entpuppt hat.
Entzündet hatte sich die ganze Sache am Plan des Konzerns Aventis, den Acker eines Istruper Landwirtes zur Versuchsfläche für gentechnisch manipulierten Winterraps zu nutzen. Rechtlich lässt sich nichts dagegen sagen: Der Versuch ist genehmigt, und der Landwirt kann mit seiner Fläche machen, was er will.
Den Grünen ging es in ihrem Antrag nun darum, Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Bis sich die Politiker zu dieser Entscheidung durchringen konnten, brauchten sie eine Menge Zeit. Denn: Niemand von ihnen ist Fachmann in Sachen Gentechnologie. Und es half auch nicht weiter, die konträren Meinungen zweier Experten einzuholen.
Wilhelm Glameyer von der Firma Aventis erläuterte dem Ausschuss die Hintergründe des Versuchs verpflichtet ist er dazu nicht, wie er angesichts der kritischen Stimmen betonte. An über 50 Standort in ganz Deutschland testet das Unternehmen neue Kreationen aus der Genwerkstatt. Bei dem Winterraps, der im August in Istrup ausgesät werden soll, handelt es sich um gentechnisch erzeugte Hybriden, also um eine durch Kreuzung entstandene Sorte, bei der die Techniker im Labor nachgeholfen haben. Erbanlagen möglichst wenig miteinander verwandter Eltern wurden künstlich zusammengefügt, um eine besonders ertragreiche und widerstandsfähige Pflanze zu züchten. "Wir haben in diesem Fall ein Gen aus einem Bodenlebewesen herausselektiert. Eingebaut in den Raps, macht es ihn unempfindlicher gegen Unkrautvernichtungsmittel," erläuterte Glameyer. Und genau dies kritisiert die Biologin Gisela Wicke, die sich beim Naturschutzbund vornehmlich mit Gentechnologie und ihren Folgen beschäftigt. Gentechnologie gehe längst über die Artengrenzen hinaus heute pflanze man schon das Gen einer nordatlantischen Flunder einer Erdbeere ein. "Irrtum ist möglich", meinte sie, man müsse nur an die verheerenden Folgen des DDT denken. Die gentechnische Veränderung gehe unter Umständen auf die Wildkräuter über, was verheerende Folgen für die heimische Pflanzenwelt haben könne, von den unerforschten Folgen für Mensch und Tier ganz zu schweigen.
Nach den Referaten der beiden Experten waren die Politiker auch nicht schlauer: "Für viele von uns ist dieser wissenschaftliche Exkurs nur schwer nachvollziehbar", meinte Bürgermeister Dr. Siegfried Pilgrim. Viele Bedenken und Ängste machen eine Bewertung schwer. Ein Parlament ist einfach überfordert."
Man könne, so meinte Hans-Adolf Albrecht (FDP) , noch stundenlang ergebnislos diskutieren. Die Stadt könne ohnehin nur den Anbau auf ihren eigenen Flächen verbieten. Damit sei man auf der sicheren Seite, meinte auch Klaus-Peter Hohenner (SPD), und Günter Simon (FBvB) forderte, mit der Verabschiedung des Grünen-Antrages ein Zeichen zu setzen. Mehr könne man ohnehin nicht tun. Das sieht CDU-Ratsherr Dr. Robert Happe anders: Er sehe die Folgen der Gentechnik optimistischer. "Wenn wir die städtischen Flächen mit Auflagen für die Landwirte belegen, dann werten wir sie ab", warnte er. Und sein Fraktionskollege Uwe Kather meinte, die Stadt sei schließlich auch für das Wohl der Landwirte zuständig, denen man die freie Entscheidung überlassen solle. Die Christdemokraten setzten sich damit nicht durch: Bei zwei Enthaltungen und drei Gegenstimmen verabschiedete der Hauptausschuss den Grünen-Antrag. Die Regelung wird nun solange gelten, bis man weiß: Gentechnologie ist ungefährlich.