Die Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte hat die Landwirte in eine unsinnige und gefährliche Lebensmittel-Massenproduktion zu immer niedrigeren Preisen gezwungen – bei gleichzeitig steigenden staatlichen Aufwendungen. Das Scheitern dieses Weges tritt mit der BSE-Krise unverkennbar zutage. Die Gesundheit der Verbraucher ist gefährdet. Dem Vertrauen in die Sicherheit und Qualität unserer Lebensmittel ist der Boden entzogen. Gleichzeitig droht zahllosen landwirtschaftlichen Betrieben das Aus. Die Bewältigung der BSE-Krise wird die Haushalte von EU, Bund, Ländern und Kommunen in Milliardenhöhe belasten.
Die industrialisierte, anonyme Massenproduktion von Futter- und Nahrungsmitteln ist eine verhängnisvolle Sackgasse. Nach der schnellen Reaktion der Bundesregierung auf die ersten BSE-Fälle in Deutschland und neben den weiterhin notwendigen Sofortmaßnahmen ist es erforderlich, die gesamte Landwirtschaftspolitik selbst neu zu orientieren. Nur eine Landwirtschaftspolitik, die Gesundheit und Verbraucherschutz mit Wirtschaftlichkeit in Einklang bringt und gleichermaßen Rücksicht auf Umwelt und Natur sowie auf eine artgerechte Haltung der Tiere nimmt, hat Zukunft. Dabei ist nicht die Größe der Betriebe entscheidend, sondern die Art und Weise der Bewirtschaftung und Tierhaltung.
Diese Einschätzung wird breit geteilt. Die Gesellschaft fordert diesen Wandel ein und fordert zu Recht nachvollziehbare Kriterien für die Gewährung öffentlicher Mittel an die Landwirtschaft ein. Auch die EU-Kommission geht mit ihren Vorschlägen zur Reform der Agrar- und Verbraucherpolitik in Agenda 2000 und Weißbuch Lebensmittelsicherheit in diese Richtung. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft wird ökonomisch ohne undurchschaubare und unpopuläre Gießkannen-Subventionen tragfähig sein. Dafür muss es gelingen, angemessene Erzeugerpreise und eine gesellschaftliche Verständigung über die gezielte Förderung und Entlohnung der nicht-marktfähigen Leistungen wie Kulturlandschaftspflege sowie Natur-, Boden-, Gewässer- und Grundwasserschutz zu erzielen. Hier liegen erhebliche Chancen für neue Arbeitsplätze.
Bündnis 90/Die Grünen stehen für eine grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik, die
Die Landwirtschaft der Zukunft wird auf vier Säulen stehen:
I. Verbraucherschutz und Transparenz
Die Lebensmittelerzeugung muss das Vorsorgeprinzip konsequent in den Vordergrund stellen. Die Verbraucher müssen sicher auf die Qualität und die gesundheitliche Unbedenklichkeit landwirtschaftlicher Produkte vertrauen können.
Für den Verbraucher muss Transparenz auf den ersten Blick sichergestellt werden. Wir schlagen daher vor, dass es zwei staatlich kontrollierte Siegel gibt: Ein bundesweit einzuführendes Qualitätssiegel für ökologischen Landbau sowie ein Siegel für eine Lebensmittelproduktion, das die Einhaltung neu definierter Mindeststandards für eine umwelt- und verbrauchergerechte Landwirtschaft garantiert.
Die Maßnahmen gegen BSE müssen verstärkt werden: Die Strafen für illegale Futtermittelverwendung verschärft, die BSE-Tests ausgeweitet werden.
Wichtig für mehr Transparenz ist die klare Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln. Dazu gehören unter anderem eine lückenlose Etikettierung und Kontrolle über die gesamte Lebensmittelerzeugungskette, eine bessere Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel sowie eine abschließende Positivliste über alle zugelassenen Futtermittelbestandteile.
Außerdem soll die regionale Vermarktung von Lebensmitteln stärker gefördert werden. Je weniger Schritte zwischen Erzeuger und Verbraucher liegen, desto größer Rückverfolgbarkeit, Transparenz und Vertrauen.
II. Umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft
Die Mittel der Agrarförderung müssen konsequent neu ausgerichtet und entsprechend umgewidmet werden, um die Wettbewerbsbedingungen für eine verbraucher- und umweltorientierte Qualitätsproduktion zu verbessern. Im Hinblick auf die WTO-Verhandlungen und den midterm-review der Agenda 2000 sowie die EU-Osterweiterung müssen die EU-Förderinstrumente bis 2003 neu definiert und bis 2006 neu ausgestaltet werden.
Dabei gilt es insbesondere, die EU-Verordnung "Ländlicher Raum" zum zentralen Element der EU-Agrarpolitik auszubauen und artgerechte Tierstallsysteme im Rahmen zu fördern. Zudem müssen Gesundheits-, Verbraucherschutz- und Umweltziele in den WTO-Verträgen international verbindlich verankert werden.
III. Ökologischer Landbau
Der Ökologische Landbau ist unser Leitbild für eine moderne, zukunftsfähige Landwirtschaft, weil er die Erzeugung gesunder Lebensmittel verbindet mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen und tiergerechten Haltungsformen. Der Anteil des Ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlichen Produktion muss massiv erhöht werden. Etappenziel: 10% in fünf Jahren. Dazu müssen Bund und Länder alle Möglichkeiten zur Förderung der Umstellung auf Ökologischen Landbau und der Vermarktung seiner Produkte ausschöpfen. Allein im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz von Bund und Ländern sollen dafür zweckgebunden 500 Millionen DM zusätzlich bis 2005 zur Verfügung gestellt werden.
Wir schlagen ein Aktionsprogramm Ökologischer Landbau vor. Es soll - neben der Förderung für die Umstellung auf Ökologischen Landbau – die Vermarktung der Produkte und ihren Einsatz in öffentlichen Großküchen fördern und die Forschung zum Ökolandbau vorantreiben. Notwendig ist in diesem Rahmen auch, den Ökologischen Landbau vor Kontamination mit gentechnisch veränderten Organismen zu schützen.
IV. Neue Perspektiven für die Landwirtschaft
Neben der Lebensmittelerzeugung eröffnen sich für die Landwirte neue Möglichkeiten. Nachwachsende Rohstoffe, Energiepflanzen, Biogasnutzung, naturnaher Tourismus und Vertragsnaturschutz können sich in Zukunft zu bedeutenden Einkommensalternativen bzw. -ergänzungen entwickeln.
Dazu hat die rot-grüne Bundesregierung bereits hervorragende Rahmenbedingungen geschaffen:
Die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes
ist eine weitere große Chance, zusätzlich Perspektiven für die
Betriebe in Kulturlandschaftspflege und Vertragsnaturschutz aufzubauen.
Weitere Infos:
Uli Höfken MdBT. 030-227 71016F. 030-227 76332
eMail; Ulrike.Hoefken@bundestag.de