LZ vom Freitag, 26.10.01:

„Der Altstadt nicht den Lebensnerv ziehen“

Blomberg (sb). Blomberg braucht kein großes SB-Warenhaus. Zu diesem Schluss kommt Städteplaner Stefan Kruse in seinem Einzelhandelsstrukturgutachten, das er mit seinen Mitarbeitern am Mittwochabend in einer öffentlichen Hauptausschusssitzung vorstellte.

Nackte Zahlen gingen den Empfehlungen der Gutachter voraus. So gab es im Februar in Blomberg insgesamt 129 Betriebe mit einer Verkaufsfläche von 28600 Quadratmetern, 111 davon in der Kernstadt (26760 Quadratmeter). Macht eine Gesamtverkaufsfläche von knapp 1,6 Quadratmeter pro Einwohner – für ein Mittelzentrum eine eher geringe Zahl. Der Wunsch nach speziellen Fachgeschäften und dem Ausbau der verkehrsberuhigten Zone rangierte bei der Passanten- und Haushaltsbefragung ganz oben.

Und die Kaufkraftbindung ist vor allem in den Bereichen Lebensmittel und Bekleidung unterdurchschnittlich, stellten die Gutachter fest. In jedem dieser beiden Bereiche – die neben der Baumarkt- und Möbelbranche das Gros an Verkaufsflächen ausmachen – tragen die Blomberger rund 20 Millionen Mark jährlich in Geschäfte der umliegenden Orte, vor allem nach Detmold. Und das bei einem gesamten Kaufkraftpotenzial von rund 192 Millionen Mark.

Folgerichtig sehen die Forscher Entwicklungspotenziale vor allem für die Lebensmittelbranche und den Bekleidungszweig. Jedoch rechtfertige die ökonomische Lage keine neuen Märkte, erst recht kein großes Warenhaus mit 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche oder mehr: "Das würde die Strukturen in Blomberg und den umliegenden Orten nachhaltig zerstören", so Kruse, der zu bedenken gab, dass ein solches Projekt auch nicht die Zustimmung der Bezirksregierung erhielte.

Er schlägt die Erweiterung eines vorhandenen Supermarktes zu einem Verbrauchermarkt mit maximal 2600 Quadratmetern zuvor. Mehrere Standorte wurden dafür untersucht, den Zuschlag bekam das Gelände Auf dem Kespohl (alte Ziegelei). Um der Altstadt nicht den Lebensnerv zu ziehen, sollte man der Edeka-Gruppe die Erweiterungsmöglichkeit mit ihrem aktiv-markt (bislang Hellweg) geben, daran aber die Bedingung koppeln, den Supermarkt in der Altstadt auf jeden Fall weiter zu führen, so die Idee des Gutachters. Mit Hilfe einer Bauleitplanung sollte die Stadt eine darüber hinaus gehende Erweiterung an dem Standort Kespohl verhindern und auch andere "Entwicklungen außerhalb des Geschäftszentrums gezielt steuern". Kurz: Keine weiteren Supermärkte in der Stadt.

Für "kleinteiligen Einzelhandel" im Erdgeschoss ist nach Meinung der Gutachter eine zentrumsnahe Fläche in der Neuen Torstraße (im Bereich um den ehemaligen Metallbaubetrieb Schwarze) geeignet. Die Fläche verteilt sich über mehrere Parzellen mit deutlichem Sanierungsbedarf.

Nicht nur Zustimmung gab es aus dem Publikum für die Dortmunder Gutachter: "Ich habe das Gefühl, Sie wollen über Blomberg eine Käseglocke stülpen", sagte ein Kritiker. Ein anderer vermisste die Stimme der 3500 Phoenix Contact-Mitarbeiter, die nicht extra befragt wurden. Bürgermeister Dr. Siegfried Pilgrim sprach von einem "Denkanstoß", den Politiker, Stadtmarketingverein und Einzelhändler nun mit Leben füllen müssten.