LZ v. Mittwoch, 22.03.2006:
Blomberger Versorgungsbetriebe weisen Kungelei mit Energieversorgern weit von sich - Informationsreisen seien reine Studienfahrten gewesen
Blomberg. Vergnügungsreisen für Lokalpolitiker, finanziert von Energieversorgern - als dies im Januar durch den Blätterwald rauschte, hakten die Blomberger Grünen nach, ob auch der Aufsichtsrat der Blomberger Versorgungsbetriebe (BVB) in den Genuss solcher Reisen gekommen ist. Die Antwort der Geschäftsführung liegt nun vor. Zudem sprach die LZ mit Aufsichtsratsmitgliedern über ihre Fahrten der letzten Jahre.
Von Marianne Schwarzer
Die Blomberger Versorgungsbetriebe unterhalten enge Geschäftsbeziehungen zu RWE und E.ON als Gas- beziehungsweise Stromlieferanten. Wie berichtet, hatten die Grünen in ihrer Anfrage an Bürgermeister Klaus Geise Mitte Januar wissen wollen, ob es in den letzten zehn Jahren Einladungen der Energieversorger an die Aufsichtsratsmitglieder zu Reisen ins In- und Ausland gegeben hat und eine Übersicht über Kosten, Ziele und Anlässe gefordert.
Einen knappen Monat später erhielten die Grünen eine Antwort des Bürgermeisters, dazu eine von den Geschäftsführern Dr. Siegfried Pilgrim und Peter Begemann sowie vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Erhard Oerder, unterzeichnete Erklärung. Diese Erklärung, so hieß es im Schreiben des Bürgermeisters, sei in einer Sitzung des Aufsichtsrates am 14. Februar beschlossen worden.
Demnach hat es keine einzige Fahrt auf Initiative der Energielieferanten gegeben - sämtliche Dreitagesfahrten, die der Aufsichtsrat seit 1986 alle zwei Jahre unternommen habe, seien ausschließlich von den BVB initiierte Informationsfahrten gewesen.
Teilgenommen hätten Aufsichtsratsmitglieder und Mitglieder der Geschäftsführung, gegen einen zusätzlichen Kostenbeitrag auch die Ehepartner der Aufsichtsratsmitglieder. Die BVB hätten dazu auch Vertreter von E.ON Westfalen Weser (früher Wesertal) und vom Gaslieferanten RWE eingeladen, die sich auch an der Organisation der Fahrten beteiligt hätten.
Das Programm habe aus Fachvorträgen, fachbezogenen Besichtigungen und "untergeordnet touristischen Teilen" bestanden. Beispielsweise fuhr der Aufsichtsrat 1996 nach Greetsiel, hörte einen Vortrag über Erdgasförderung und besichtigte das Blockheizkraftwerk auf Norderney. Bei der Fahrt 1998 nach Berlin informierten sich die Blomberger unter anderem über den Erdgaseinsatz in Kraftfahrzeugen und besichtigten eine Erdgasschnelltankstelle.
Die jüngste Fahrt 2004 führte nach Dresden, wo der Besuch eines Kraftwerkes und ein Vortrag über die Energieversorgung dieser Großstadt auf dem Programm stand.
"Die angeführten Studienfahrten der BVB hatten jeweils den Stellenwert einer Dienstreise mit einschlägigem Fachprogramm und sind definitiv nicht als Vergnügungsreise zu klassifizieren", so die Geschäftsführung abschließend.
Vor diesem Hintergrund sieht auch Bürgermeister Klaus Geise "keine Anhaltspunkte, dass es sich bei den Informationsfahrten der Blomberger Versorgungsbetriebe um Vergnügungsreisen mit möglicherweise strafrechtlichem Hintergrund handelt."
Und wie sehen es die, die es betrifft? - Die LZ fragte bei aktuellen und ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern nach.
Unter anderem bei dem Grünen Friedel Werner, der zur Zeit der grün-schwarzen Koalition in Blomberg stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender war. "Ich habe bereits in der Grünenfraktion Rede und Antwort dazu gestanden", so Werner gegenüber der LZ. "Natürlich kann man fragen: Was machen die Blomberger in Berlin? Aber ich finde es sinnvoll, alle zwei Jahre mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Natürlich haben diese Fahrten ein ansprechendes Ambiente gehabt, es gab auch Freizeit mit einem Beiprogramm." Er habe sich damals auch gefragt, ob er überhaupt mitfahren solle und das innerhalb der Fraktion diskutiert. "Ich habe kein Unrechtsbewusstsein, weder damals noch heute."
Vertreter von E.ON beziehungsweise RWE seien sporadisch dazugekommen, es habe dann beispielsweise geheißen: ",Dieses Essen hat jetzt RWE bezahlt.' Dass die das nicht aus Menschenfreundlichkeit gemacht haben, war ja klar."
Hans-Adolf Albrecht (FDP) ist aktuell Mitglied des Aufsichtsrates, auch er hat nichts gegen die Studienfahrten: "Wir haben uns Versorgungsanlagen angesehen, und es gab ja kein Beiprogramm wie Theaterbesuche oder so etwas. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht."
Das ging schon Heinz Queren nicht anders, der als SPD-Mitglied zwischen 1989 und 1994 dem Aufsichtsrat angehörte. "Es hat nie den Anschein gegeben, dass sich in irgendeiner Form aus diesen Fahrten eine Verpflichtung für einen der Beteiligten ergeben hätte." Natürlich habe man automatisch auch die eine oder andere kulturelle Einrichtung besichtigt, aber im Mittelpunkt habe in der Tat die technische Information gestanden.
Für Otto Beermann, der in der vergangenen Legislaturperiode an einer der Fahrten teilgenommen hat, waren die Gefühle gemischt. Vergnügen und Information hätten sich die Waage gehalten. "Ich gebe zu: So ganz wohl habe ich mich nicht dabei gefühlt."
"Ach Quatsch" sagt dazu Brigitte Stölting (CDU), ehemalige Vorsitzende des Aufsichtsrates: "Wir haben uns da schlicht und ergreifend nichts weiter dabei gedacht. Das war sowohl ein angenehmes als auch informatives Erlebnis, und natürlich hat keiner Highlife gemacht. Dazu muss man einfach stehen."
So locker wollte BVB-Geschäftsführer Dr. Siegfried Pilgrim in der Presse nicht Stellung nehmen. Er reagierte unwirsch auf die Nachfrage der Lippischen Landes-Zeitung: "Das Schreiben der BVB an die Grünen ist sorgfältig formuliert. Jedes weitere Wort wäre zu viel." Er selbst könne sich nicht erinnern, ob er mal mitgefahren sei, so Blombergs ehemaliger Stadtdirektor. "Dazu war ich viel zu häufig unterwegs."