LZ vom Mittwoch, 14.03.01:

Triumph für den Umweltschutz

VON MARTIN BOMMERSHEIM

Brüssel. Es ist ein Urteil, wie es sich Umweltschützer wohl in ihren grünsten Träumen nicht ausgemalt haben: Der Europäische Gerichtshof hat nicht nur die deutsche Politik zur besonderen Förderung von Ökostrom für rechtens erklärt. Erstmals stellten die Luxemburger Richter die überragende Bedeutung des Umweltschutzes heraus. Dieser sei wichtiger als etwaige Handelshemmnise im EU-Binnenmarkt.

Während Politiker von SPD und Grünen die Entscheidung bejubelten und von ihr eine „Signalwirkung für ganz Europa“ erwarten, sprach die EU-Kommission in Brüssel betont kühl von einem „Urteil, das an die Fundamente der gemeinschaftlichen Subventionspolitik geht“. Entscheidend ist: Der Angriff auf die Windräder ist nicht nur abgewehrt, die Umweltschützer haben auf ganzer Linie triumphiert. Das Urteil markiert nach Meinung von Beobachtern eine bedeutende Weichenstellung in der energiepolitischen Auseinandersetzung zwischen der Brüsseler Kommission und der Bundesregierung.

Auf dem Prüfstand in Luxemburg stand das seit 1990 mehrfach modifizierte Stromeinspeisungsgesetz zur Förderung erneuerbarer Energien. Seit vorigem Frühjahr nennt es sich Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG), zielt aber in die gleiche Richtung: Es verpflichtet Energieversorgungsunternehmen, den in ihrer Region produzierten Strom aus Wind, Wasser und Sonne zu einem Mindestpreis abzunehmen. Derzeit müssen sie den Lieferanten für Windkraft rund zwölf Pfennig und für Solarenergie 99 Pfennig je Kilowattstunde erstatten. Gegen die staatlich verordnete Bevorzugung „grünen“ Stroms wehrten sich die deutschen Stromkonzerne immer wieder. Sie beklagen die hohen Kosten. Allein bei Preußen-Elektra stiegen die Ökostrom-Ausgaben zwischen 1991 und 1998 von 5,8 Millionen auf 111,5 Millionen Mark. Im Luxemburger Verfahren attackierte Preußen-Elektra (heute E.on) die besondere Förderung als Wettbewerbsverstoß. Doch der Europäische Gerichtshof erteilte den Angreifern eine Abfuhr. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil auch EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti als Verlierer dasteht. Denn auch er wertete die deutsche Subventionspolitik ungeachtet ihrer umweltschonenden Wirkung bislang als illegale Beihilfe und prüft bereits das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Wettbewerbsverstöße. Nun kündigte sein Sprecher an, die künftige Förderpolitik zu überdenken.

Denn das Gericht stellte fest, dass die staatlich verordneten Mindestvergütungen keine illegale Subvention darstellen. Grund: Das den Alternativstromproduzenten zufließende Geld stammt nicht aus dem Staatshaushalt, sondern von den Kunden der Elektrizitätswerke. Insoweit folgte das Gericht dem britischen Generalanwalt Francis Jacobs. In einem bedeutenden Punkt ging es aber weit über dessen Ansichten hinaus. Jacobs hatte die Rechtmäßigkeit des deutschen Gesetzes angezweifelt, weil es eine Abnahmepflicht nur für deutschen Ökostrom vorsieht, ausländische Produzenten also benachteilige. Selbst wenn dies ein Verstoß gegen die Regeln des EU-Binnenmarktes sei, so wäre dieser nach Auffassung des Gerichtshofs gerechtfertigt, weil dieser Verstoß der Verringerung des Ausstosses von Treibhausgasen diene: Umweltschutz, betonten die Richter, sei wichtiger als der Binnenmarkt.

Die nächste Attacke auf den deutschen Energiemarkt ritt noch gestern Nachmittag EU-Kommissarin Loyola de Palacio. Um sicherzustellen, dass EU-weit alle Verbraucher von Strom und Gas ihre Lieferanten spätestens 2005 frei wählen können, fordert sie von allen 15 Mitgliedstaaten nationale Regulierungsbehörden. Die deutsche Wirtschaft und das Bundeskartellamt lehnen dies als „nicht sachgerecht“ ab. Doch die Erfolgsaussichten des Widerstands scheinen gering. Alle anderen 14 EU-Staaten haben bereits eine solche Behörde. Deutschland zu überstimmen und damit zum Aufbau dieser Einrichtung zu zwingen, die den freien Zugang zu den Märkten überwachen soll, dürfte nicht schwer fallen.