LZ vom Montag, 11.02.02:

Mit dem Strom kommt der Streit

Landesregierung will Energieerzeugung aus Wasserkraft fördern / Konflikte scheinen programmiert

Bad Sassendorf/Bielefeld. Stefan Prott mag Wasser. Noch lieber hat er es, wenn damit umweltfreundlich Strom produziert wird. Jetzt leitet er im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) das neue Büro für Wasserkraft in Bad Sassendorf. Seine Aufgabe besteht darin, den Anteil der Wasserkraft an der Stromproduktion zu steigern. „Im Augenblick haben wir aber nur Konflikte“, sagt der 30-Jährige Diplom-Geograph.

Und genau dafür hat man ihn eingestellt: Er soll bei der Förderung der Wasserkraft zwischen den davon betroffenen Personen und Institutionen vermitteln sowie die mitunter entgegengesetzten Interessen auf einen gemeinsamen Nenner bringen. „Sich an einem runden Tisch zu treffen, ist da noch das einfachste“, berichtet Prott. Neben der Moderation führt er die Interessenten durch den Wust der gesetzlichen Bestimmungen und hilft, das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, das durchschnittlich vier Jahre dauert. So war es auch im Fall der Heerser Mühle in Bad Salzuflen. Dort wollen private Investoren das marode Stauwehr an der Werre sanieren und zu einem Wasserkraftwerk umbauen. Geschehen ist bislang allerdings nichts. Naturschützer befürchten Schäden für Flora und Fauna, zumal die Mühle Zentrum für die regionalen Umweltgruppen ist. „Dennoch ist der Standort ideal, um wirtschaftliche Interessen mit den Anforderungen des Naturschutzes zu verknüpfen“, sagt Prott euphorisch, der nach Bad Salzuflen reiste und zwischen den Beteiligten vermittelte.

Seiner Erfahrung nach sind die unterschiedlichen Interessen immer das Hauptproblem. Auf der einen Seite sind Betreiber, die mit den Kraftwerken Geld verdienen wollen. Ihnen stehen Naturschützer gegenüber, die in den Anlagen einen Eingriff in die Natur sehen und sie deshalb ablehnen. Fischer und Angler befürchten einen Rückgang der Fischbestände, Wassersportler fühlen sich bei ihren Freizeitaktivitäten eingeschränkt. Zwischen allen Stühlen sitzen noch die Wasserbehörden, die einerseits die Wasserkraft fördern, andererseits die Natur schützen sollen.

In Bad Salzuflen hatte Prott anfangs ein leichtes Spiel. Schnell war der Konflikt zwischen den möglichen Investoren und den Anwälten der Natur beigelegt. Zum Schutze der Umwelt sollte eine natürliche Umgehung des Wasserkraftwerkes gegraben werden. Sie würde es den Fischen ermöglichen, die Anlage ungehindert zu passieren. „Es waren die besten Voraussetzungen, die ich bislang gesehen habe“, sagt Prott, der es bedauert, dass das Vorhaben noch immer nicht realisiert wurde. Ohne negative Auswirkungen auf die Natur hätte seiner Ansicht nach an der Heerser Mühle Strom für 140 Haushalte produziert werden können, immerhin 500.000 Kilowattstunden pro Jahr.

In ganz NRW können derzeit 150.000 Haushalte mit Strom aus Wasserkraft versorgt werden, rund 500 Gigawattstunden sind es jährlich. Technisch machbar ist jedoch weit mehr: 700 Gigawattstunden könnten es nach Einschätzung von Experten des nordrheinwestfälischen Wirtschafts- und Energieministeriums sein. Für Prott ein Goldesel: „Solange es regnet, fließt Wasser und wir können Strom herstellen.“ Um das Potential zu nutzen, müssten an den Flüssen und Bächen nicht einmal neue Anlagen errichtet werden. „Es reicht, die bestehenden Wehre umzubauen“, erklärt Prott. Rund 12.000 Standorte gibt es seines Wissens, an denen wie an der Heerser Mühle Wasser gestaut wurde oder wird, und die sich für ein Wasserkraftwerk eignen . Dafür gibt sogar Fördergelder: Das Land übernimmt bis zu 30 Prozent der Kosten für den Umbau. Anschließend gibt es für jede ins öffentliche Netz eingespeiste Kilowattstunde acht Cent. An der Heerser Mühle ist der Bau des Wasserkraftwerkes jedoch in weite Ferne gerückt. Obwohl sich Investoren und Naturschützer einigen konnten und staatliche Zuschüsse garantiert wären, verhindern bislang die politisch Verantwortlichen das Vorhaben. Für den Moderator Stefan Prott eine traurige Erfahrung: „Wo der politische Wille fehlt, da helfen auch keine vernünftigen Argumente mehr.“

Weitere Informationen: Stefan Prott, Landesinitiative Zukunftsenergien NRW, Haus Düsse, Ostinghausen, 59505 Bad Sassendorf, Telefon: (0 29 45) 9 89-1 89, Fax: (0 29 45) 9 89-1 33, E-Mail: prott@energieland.nrw.de, Internet: www.energieland.nrw.de

VON MAIK PORSCH