LZ vom Donnerstag, 10.03.05:

"Abverlangt wird Selbstverständliches"

DAS INTERVIEW mit Bauminister Dr. Michael Vesper zur Dichtheitsprüfung von Abwasseranlagen

Lage (be). In einigen Nachbarkommunen wurden die Bürger bereits über die anstehende Dichtheitsprüfung von Abwasseranlagen gemäß Paragraph 45 Landesbauordnung informiert. Lage dagegen will erst einmal keine Post verschicken. Bürgermeister Christian Liebrecht hat Landesbauminister Dr. Michael Vesper einen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, dass er die Entwicklung abwarten wolle. Die LZ sprach über dieses Thema mit dem Minister.

Frage: Herr Dr. Vesper, werten Sie solche Schreiben als möglichen Widerstand gegen Ihr Gesetz? In dem Brief des Lagenser Bürgermeisters wird auch Zweifel an der Praktikabilität laut.

Dr. Michael Vesper: Das Schreiben von Herrn Bürgermeister Liebrecht habe ich nicht als Widerstand gegen Paragraph 45 Landesbauordnung verstanden. Herr Liebrecht erklärt darin lediglich, dass ihm, weil er neu im Amt sei, Fragen zur Umsetzung der Vorschrift gekommen seien. Nach meinem Eindruck gibt es auch keine grundsätzlichen Zweifel daran, dass die Vorschrift sinnvoll und praktikabel ist. Die Pflicht zur Dichtheitsprüfung wurde vor zehn Jahren eingeführt – übrigens auf Anregung zahlreicher Städte und Gemeinden. Sie mussten bei der Sanierung ihrer Kanalnetze feststellen, dass die Abwasserleitungen der privaten Hauseigentümer häufig in einem weitaus schlechteren Zustand waren als das öffentliche Kanalisationsnetz.

Frage: Eigentümer von Häusern, die vor dem 1. Januar 1965 errichtet worden sind, müssen die Dichtheitsprüfung ihrer Abwasseranlagen bis Ende dieses Jahres vorgenommen haben. Aber gerade bei diesen Eigentümern handelt es sich oftmals um weniger betuchte. Geht von Ihrer Regelung nicht eine gewisse soziale Härte aus?

Dr. Vesper: Nein. Für Hauseigentümer ist es doch selbstverständlich, dass sie ihr Haus instand halten. Leider wird häufig vergessen, dass auch die Abwasserleitungen eines Hauses instand gehalten werden müssen. Denn durch schadhafte Abwasserleitungen kann nicht nur Abwasser bis ins Grundwasser vordringen, sondern auch Regenwasser in die Kanalisationströmen und dafür sorgen, dass Kanäle und Kläranlagen überlastet und auf diese Weise Bäche und Flüsse verschmutzt werden. Den Hauseigentümerinnen und Eigentümern wird nur abverlangt, was selbstverständlich ist: Nämlich ihr Eigentum so zu warten, dass die Allgemeinheit keine Nachteile erleidet. Außerdem trifft die von Ihnen genannte Frist nur für die Häuser zu, die vor dem 1. Januar 1965 errichtet wurden und in einem Wasserschutzgebiet liegen.

Frage: Was kann man tun, wenn kein Geld für die Instandsetzung des Kanalanschlusses vorhanden ist? Es ist, so Experten, davon auszugehen, dass etwa 40 Prozent älterer Häuser eine defekte Anlage aufweisen.

Dr. Vesper: Zunächst einmal gilt es, bis Ende dieses Jahres für die betroffenen Häuser die Dichtheit der Anschlussleitungen zu überprüfen. Gerade für Einfamilienhäuser ist diese Prüfung nicht so aufwändig, dass sie nicht finanzierbar wäre. Der Umfang der dann vielleicht nötigen Sanierungsarbeiten wird durch die Art und die Größe der festgestellten Schäden bestimmt. Auch hier lässt sich nicht vorab sagen, wie hoch die Kosten im Einzelfall sein werden. Es besteht jedoch sicher die Möglichkeit, mit den zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörden über den zeitlichen Rahmen zu reden, innerhalb dessen die privaten Abwasserleitungen zu reparieren sind. Die finanziellen Mittel für die Sanierungsmaßnahmen können dann angespart werden.

Frage: Sind bis zum Sommer noch weitere Ausführungsbestimmungen zu diesem Thema zu erwarten?

Dr. Vesper: Das ist nicht notwendig, denn die erforderlichen Ausführungsbestimmungen sind bereits vorhanden. Es gibt zum einen eine umfangreiche Verwaltungsvorschrift. Zum anderen haben wir – das Umwelt- und das Städtebauministerium – im Jahr 2003 eine gemeinsame Broschüre veröffentlicht, die in den Stadtverwaltungen bekannt ist. Beispielsweise hatte die Stadt Lage auf ihrer Homepage die Bürgerinnen und Bürger über die Dichtheitsprüfungen informiert, und zwar gestützt auf die Informationen in dieser Broschüre. Herr Liebrecht hat allerdings, weil er zwei Fragen an mich hatte, diese Information wieder von der Homepage entfernen lassen. Er hat aber bereits erklärt, er wolle die Information der Bürgerinnen und Bürger fortsetzen, sobald seine Fragen beantwortet seien.

Frage: Könnte das Gesetz nach einem möglichen Regierungswechsel in Düsseldorf von einer schwarz-gelben neuen Regierung gekippt werden?

Dr. Vesper: Gesetzgeber für Landesgesetze ist immer der Landtag Nordrhein-Westfalen. Ich bitte allerdings um Verständnis dafür, dass ich nicht zu wenig wahrscheinlichen Szenarien Stellung nehmen möchte.

Frage: Was droht denjenigen, die sich partout weigern, eine Dichtheitsprüfung vornehmen zu lassen? Von Konsequenzen war bisher nie die Rede.

Dr. Vesper: In solchen Fällen kann die untere Bauaufsichtsbehörde gegen die Betroffenen so genannten Verwaltungszwang anwenden. Das heißt zum Beispiel, ein Zwangsgeld festsetzen oder die Sanierung an Stelle der Eigentümer selbst in Auftrag geben und die Kosten dann zurückfordern. Ich glaube aber nicht, dass es so weit kommen wird. Denn zum einen kenne ich niemanden, der, wenn er von der Schadhaftigkeit seiner Abwasserleitung erfährt, weiterhin Schmutzwasser in den Untergrund sickern lassen würde. Zum anderen wäre ein solches Verhalten möglicherweise eine strafbare Gewässerverunreinigung nach Paragraph 324 Strafgesetzbuch.

Frage: Sollte es nicht den Städten selbst überlassen bleiben, eine Dichtheitsprüfung anzuordnen?

Dr. Vesper: Nein. Es handelt sich um eine Regelung, die aus Gründen des Gewässerschutzes geschaffen wurde. Und der betrifft alle Bürgerinnen und Bürger des Landes gleichermaßen. Es wäre daher nicht akzeptabel, wenn einzelne Kommunen Ausnahmen von der selbstverständlichen Pflicht zuließen, das Allgemeingut Trinkwasser nicht zu schädigen. Daher gibt Paragraph 45, Absatz 6 der Landesbauordnung den Gemeinden nur die Möglichkeit, durch Satzung kürzere als die gesetzlichen Fristen festzulegen, um die Sanierung der privaten Abwasserleitungen mit der des öffentlichen Kanalisationsnetzes zu verbinden.

Frage: Müssen auch Sie eine solche Prüfung an Ihrem Haus vornehmen lassen?

Dr. Vesper: Für mich gilt nichts anderes als für jede Bürgerin und jeden Bürger. Da mein Haus aber erst einige Jahre alt ist und die Dichtheitsprüfung entsprechend der Landesbauordnung unmittelbar nach der Errichtung durchgeführt wurde, habe ich bis zur nächsten Prüfung noch einige Jahre Zeit.