Atomkraftwerke sind ein Sicherheitsrisiko. Massive Sicherheitsmängel durch Manipulationen bei der technischen Überprüfung von AKWs sind hausgemachte Probleme, die schon schlimm genug sind. Hinzu kommt jetzt noch die Bedrohung durch die Gefahr terroristischer Anschläge von außen. Es bedarf keiner besonderen Fantasie, um sich etwa die Folgen eines Flugzeugabsturzes auf das AKW Grohnde (nur wenige Kilometer von Ostlippe entfernt!) mit anschließendem Super-GAU vorzustellen. Die Strahlenschäden würden diese Region unbewohnbar machen: Tschernobyl lässt grüßen.
In den USA werden jetzt Flugsperrzonen rund um AKWs eingerichtet. Spätestens, seitdem Flugabwehrraketen im Nachbarland Frankreich atomtechnische Anlagen schützen sollen, müssten eigentlich auch bei uns sämtliche Alarmglocken schrillen. Wir haben es hier mit einer hoch gefährlichen Technologie zu tun, die in unsicheren Zeiten noch gefährlicher wird als sie es ohnehin schon ist. Wer das bisher noch nicht gewusst hat, kann sich spätestens jetzt nicht mehr herausreden, wo in den Medien ausführlich darüber berichtet wird.
Die Schlussfolgerung aus diesem Bedrohungsszenario kann nur lauten: Trennen wir uns so schnell wie möglich von der zentralisierten atomaren Großtechnik, die uns verwundbar macht. Schaffen wir ein Netzwerk von dezentralisierten Klein- bis Kleinstkraftwerken, die überall im Lande die Energieversorgung sicherstellen. Ein ganz wesentlicher Baustein einer solchen dezentralen Energieversorgung sind schon heute die Erneuerbaren Energien aus Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik und Biomasse. Bereits Ende dieses Jahres werden in Deutschland 3 Prozent des Stromverbrauchs aus Windkraft erzeugt werden. Ein Anteil von 10 Prozent ist für die Erneuerbaren Energien insgesamt kurzfristig erreichbar.
Angesichts der nicht mehr wegzuleugnenden Risiken der Atomtechnik mutet es in diesen Tagen um so widersinniger an, wenn gerade Windkraftanlagen in der Realisierungsphase ständig "Gegenwind" bekommen. Bürger gehen auf die Barrikaden, Initiativen werden gegründet, Unterschriften gesammelt. Haben diese Herrschaften auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, woher denn der Strom aus ihrer Steckdose kommt? Wohl nicht, denn sonst wüssten sie, dass im Versorgungsgebiet von Wesertal fast 70 Prozent des Stromes aus dem Atomkraftwerk Grohnde stammt. Vielleicht hätten sie dann auch schon Konsequenzen gezogen und ihren ganz persönlichen Atomausstieg in die Wege geleitet.
Sie hätten heute alle Möglichkeiten dazu, angefangen beim Stromsparen. Allein durch Wegschalten des gesamten Standby-Verbrauchs ließen sich in Deutschland ein bis zwei AKWs abschalten. Auch zertifizierter Öko-Strom ist seit Jahren bundesweit verfügbar. Jeder Haushalt kann heute unkompliziert seinem Atomstrom-Anbieter Lebewohl sagen und Öko-Strom beziehen, der noch nicht einmal teurer sein muss als "normaler" Strom. Darüber hinaus kann heutzutage jeder Haushalt seinen eigenen Öko-Strom erzeugen – auf dem Dach per Photovoltaik-Anlage. Auch Geld lässt damit verdienen, indem man sich an solchen Anlagen beteiligt – sauberes Geld. Lassen Sie mich raten: Die Windkraftgegner in Lippe und anderswo haben sich um alle diese Dinge nie gekümmert; es hat sie einfach nicht gekümmert.
Die Politik hat allerdings ihre Hausaufgaben gemacht und rechtzeitig die Weichen für die Erneuerbaren Energien gestellt. In den letzten Jahren haben fast alle lippischen Gemeinden Vorranggebiete für Windkraftanlagen festgelegt. In einem langen und sorgfältigen Planungsprozess wurden Abstände zur nächsten Bebauung, zu Naturschutzgebieten sowie weitere Faktoren berücksichtigt und in die Flächennutzungspläne eingetragen. Die Sitzungen der Ausschüsse waren öffentlich, jeder hätte sich informieren können. Es kann doch wohl nicht angehen, dass jetzt, wo es um den konkreten Bau von Anlagen innerhalb der Vorrangflächen geht, der ganze Prozess wieder auf links gedreht werden soll. Und das alles nur, weil ein paar Herrschaften damals gepennt haben, sich um die Herkunft ihres Stromes einen Dreck scheren oder auch heute noch das Märchen von der "sicheren" Atomkraft glauben?
Wer jetzt immer noch nicht aufgewacht ist, dem werden eines Tages die Brocken um die Ohren fliegen. Und das wird mit Sicherheit ein böses Erwachen sein!
G. Staubach, 21.10.01